Der blaue Blitz an der Isar – Eisvögel in der Großstadt

Eisvogel an der Isar

Wer ihn einmal gesehen hat, vergisst ihn nicht. Der Eisvogel wirkt wie ein seltener, exotischer Gast – und doch lebt er mitten unter uns, selbst im Trubel der Stadt. Seine blau-orangene Färbung gleicht einem aufblitzenden Edelstein, wenn er über das Wasser schießt. Diese Reportage erzählt von meinen Begegnungen mit Eisvögeln an der Isar in München, von Geduld, Zufall – und einem Tier, das trotz Lärm und Menschen seinen festen Platz behauptet.

Die erste Sichtung – oder: Der Moment, wenn man gerade gehen will

Viele Naturfotografen werden es bestätigen: Man sitzt stundenlang am Wasser, verborgen im Schilf, die Kamera im Anschlag – und nichts passiert. Kein Ton, kein Flügelschlag. Doch sobald man aufsteht, den Rucksack packt und das Stativ zusammenklappt, kommt er. Lautlos, schnell, wie ein Farbblitz: der Eisvogel. Und setzt sich genau dorthin, wo man eben noch fokussiert war. Dieses Spiel habe ich oft erlebt – und irgendwann verstanden: Der Eisvogel beobachtet uns ebenso aufmerksam, wie wir ihn.

Rituale, Reviere und Rhythmus

Mit der Zeit lernte ich: Eisvögel sind keine Zufallserscheinung. Sie kehren an bestimmte Äste zurück, jagen zu fast festen Uhrzeiten – und haben ihr Revier, das sie meist zu zweit verteidigen. Besonders aktiv sind sie um die Mittagszeit (12–13 Uhr) und noch einmal zum Sonnenuntergang. An diesen Punkten sind die Chancen am größten, sie bei der Jagd oder beim Rufen zu beobachten.

Was mich besonders fasziniert: Ihre Emotionalität. Hat ein Eisvogel Erfolg bei der Jagd, zwitschert er aufgeregt – fast so, als würde er seine Freude mitteilen. Verfehlt er jedoch den Fisch, folgt oft ein scharfer, genervter Ruf. Diese Kommunikationsfreude macht sie für mich so lebendig und einzigartig.

Annäherung auf Augenhöhe

Mit der Zeit stellten sich Wiederholungen ein. Ich erkannte einzelne Tiere, besonders ein Pärchen, das ich über mehrere Tage hinweg beobachten konnte. Es war Frühling, die Balzzeit – und der männliche Eisvogel versuchte, seiner Partnerin einen Fisch zu überreichen. Sie aber schien nicht überzeugt: Sie lehnte ab und flog davon. Solche Momente lassen sich nur einfangen, wenn man viel Zeit investiert – und still bleibt.

Ein scheues Tier inmitten der Menschen

Obwohl Eisvögel grundsätzlich als scheu gelten, zeigt sich an der Isar ein anderes Bild: Sie haben sich angepasst. Selbst wenn Hunde unter dem Ast entlanglaufen, auf dem sie sitzen, oder Spaziergänger dicht vorbeikommen – oft bleiben sie ruhig. Besonders im Sommer, wenn die Isar stark besucht ist, sind sie trotzdem da. In einem der Reviere, die ich kenne, finden sogar regelmäßig nächtliche Raves statt. Die Eisvögel ziehen sich dann zurück – aber sie bleiben.

Mein Werkzeug

Ich fotografiere mit einer Canon 6D Mark II und einem 300mm Objektiv. Das reicht für gute Aufnahmen bei Tageslicht, ohne zu nahe an die Tiere heranzumüssen. Wichtig ist mir dabei immer: Die Tiere nicht zu stören. Kein Anlocken, kein Eingreifen. Nur Beobachten – und dokumentieren.

Fazit

Der Eisvogel ist ein Symbol für die Natur, die sich ihren Platz bewahrt. Trotz Stadt, Lärm, Menschen, Lichter. Wer sich die Zeit nimmt, Geduld übt und genau hinschaut, kann Zeuge werden eines stillen Wunders – mitten in München.

Eisvogel Porträt
Eisvogel im Flug

Hintergrund: Der Eisvogel (Alcedo atthis)

Der Eisvogel ist etwa 16–18 cm groß, mit kurzem Schwanz und großem Kopf. Auffällig ist sein metallisch blaues Rückengefieder und die orange Brust. Er jagt, indem er von einem Ansitz aus ins Wasser taucht und Kleinfische erbeutet. Seine Rufe sind schrill und gut zu erkennen, wenn man ihn einmal bewusst gehört hat. Er bevorzugt saubere, flache Gewässer mit ausreichendem Fischbestand. In Mitteleuropa ist er ganzjährig zu finden, braucht aber Ruhe und naturnahe Ufer.

Besonders beeindruckend: Der Eisvogel kann bis zu 120 km/h schnell fliegen – auf kurzen Strecken, im Sturzflug. Ein wahrer Jäger mit Jet-Antrieb.